LAG Mecklenburg-Vorpommern – Urteil vom 23.08.2022 – 8 Sa 2/22
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG ist der anderweitige Verdienst, den ein Arbeitnehmer während des Anrechnungszeitraums erzielt, gemäß § 615 Satz 2 BGB nicht pro rata temporis, sondern auf die Gesamtvergütung für die Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen. (amtl. Leitsatz)
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten und einer Dritten in einem einheitlichen Arbeitsverhältnis beschäftigt. Die Beklagte haftet für sämtliche Vergütungsansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Die Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung wurde rechtskräftig festgestellt. Für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.10. bis 31.12.2017 streiten die Parteien über Annahmeverzugslohnansprüche.
Der Kläger war bis zum 15.10.2017 anderweitig beschäftigt, wobei er ab dem 01.10. bis zum 15.10. Urlaub hatte. Ausweislich seiner Gehaltsabrechnung hat der Kläger im Oktober 2017 ein Gehalt, eine Urlaubsabgeltung, eine sonstige Zulage, eine Schnittzulage gemäß Tarifvertrag, eine Samstagszulage, eine Nachtzulage, eine Sonntagszulage, eine Arbeitszeitkonto-Auszahlung, eine Zahlung für Mehrarbeit, Verpflegungsmehraufwand sowie eine Zahlung für Familienheimfahren erhalten. Für die Monate November und Dezember hat der Kläger Leistungen des Jobcenters erhalten.
Der Kläger war der Ansicht, er müsse sich für den Monat Oktober nur das Grundgehalt anrechnen lassen. Für die Monate November und Dezember seien nur die Sozialleistungen in Abzug zu bringen. Die Beklagte hatte beantragt, die Klage zurückzuweisen, da der Kläger anderweitigen Erwerb böswillig unterlassen habe.
Das ArbG hat der Klage teilweise stattgegeben, dabei aber die Vergütung des Klägers im Oktober 2017 insgesamt angerechnet.
Entscheidung
Die Berufung des Klägers hatte vor dem LAG Mecklenburg-Vorpommern teilweise Erfolg. Das LAG führt insbesondere aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BAG anderweitiger Verdienst auf die Gesamtvergütung für die Zeit des Annahmeverzugsanspruchs anzurechnen sei und nicht nach einzelnen Zeitabschnitten. Die Anrechnungsvorschriften sollten gewährleisten, dass der Arbeitnehmer aus dem Annahmeverzug keinen finanziellen Vorteil ziehe. Er solle nicht mehr erhalten, als er bei normaler Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte; er solle, aber auch nicht schlechter gestellt werden.
Angerechnet werde daher der Verdienst, den der Arbeitnehmer deshalb erzielen konnte, weil er die Arbeitsleistung beim Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis unwirksam gekündigt hat, nicht erbracht habe. Anrechenbarer anderweitiger Verdienst sei danach nicht gegeben, wenn beide Beschäftigungen objektiv nebeneinander ausgeübt werden könnten.
Deshalb seien von der Anrechnung folgende Gehaltsbestandteile ausgenommen: Die Samstagszulage, die Nachtzulage, die Sonntagszulage, die Auszahlung des Arbeitszeitkontos, die Zahlung für Mehrarbeit, die Zahlung eines Verpflegungsmehraufwandes sowie die Zahlungen für Familienheimfahrten. Bei diesen Zahlungen handle es sich um Zulagen für im September 2017 erbrachte Arbeitsleistungen, geleistete Mehrarbeit sowie nicht anrechenbaren Aufwendungsersatz. Diese beruhten nicht kausal auf dem Freiwerden der Arbeitskraft im Monat Oktober 2017.
Praxishinweis
Das LAG hat die Rechtsprechung des BAG zur Anrechnung anderweitigen Verdienst bei Annahmeverzug bestätigt und nachvollziehbar angewandt. Für die Praxis bleibt es insoweit dabei, dass es einer Betrachtung der im Einzelfall während der Gesamtdauer des Annahmeverzugs erzielten anderweitigen Vergütungsbestandteile bedarf, um über die Anrechnungsfähigkeit zu entscheiden.
Quelle: VBF Nord